In diesem Artikel schildert Frau Werner ihre Eindrücke von der Kirche St. Adalbert.
„Beton – es kommt drauf an, was man draus macht!“ ist ein seit Jahren geläufiger Werbeslogan, der mir spontan einfiel…
Ungewöhnlich – und eigenwillig –
so präsentiert sich die Kirche St. Adalbert in Herrenhausen. Im Schatten des auffälligen Pfarrhauses mit Fachwerk, Erker und Türmchen (Überbleibsel einer über 100jährigen „Lustbarkeit“ an der Stöckener Straße) liegt der moderne Bau hinter Bäumen etwas zurück, als Kirche nicht sofort zu erkennen. Eher ein merkwürdiger „Bunker“?
Runde Betonwände in weiß geleiten mich wie ein Trichter zum Haupteingang unter einer vorspringenden Spitze des durchhängenden Flachdaches, wo ich von der Darstellung zweier Heiligengestalten empfangen werde: dem heiligen Adalbert und der heiligen Hedwig. Ich trete ein und bin überrascht: Der Raum ist weit und freundlich, er umarmt mich fast. Keine Säule und kein Pfeiler beeinträchtigt das Blickfeld. Nichts hier ist gerade und eckig – es fühlt sich an wie in einem Zelt, Decke und Wände scheinen im Wind zu wogen: kein „Haus voll Glorie, aus ew’gem Stein erbauet“, sondern ein „Zelt Gottes unter den Menschen“!
Licht kommt von überall und irgendwo her – die Wände sind durchlässig: hohe Rundbögen vorn links erscheinen wie Durchgänge in eine andere Welt, das durchhängende Dach scheint über dem Altar leicht abzuheben und lässt in einem schmalen Band das Licht durchscheinen, rechts öffnet sich eine Wand, die wie aus einem benachbarten Schlot Licht hereinlässt, und vom Eingang her, wo die Wand in der Höhe zum Fenster wird, flutet eine große Woge von Licht – der ganze Raum ist an den Wänden nicht zuende!
Wende ich mich vom Eingang her nach links, begegne ich der heiligen Familie (aus Holz geschnitzt): zuerst Maria in einer eigenen kleinen Kapelle, dann Josef mit Jesus als Junge, der schon auf eigenen Füßen steht und das Schreinerhandwerk lernt; sein späterer Weg – der Kreuzweg – erstreckt sich weiter entlang der Außenmauer als Lichtspur bis hin zum dreifachen Bogen„durchgang“, durch den Licht aus der Himmelshöhe hereinbricht: Besonders an hellen Tagen eine aussagekräftige Unterstreichung der Auferstehungsbotschaft!
Die Rückwand hinter dem Altar, die den ganzen Raum beherrscht und an sich zieht, zeigt die Engelscharen um das Lamm Gottes im himmlischen Jerusalem, biblische Zukunftsvision (Offenbarung des Johannes). Sie wölbt sich in den Raum hinein, kommt mir entgegen und entzieht sich gleichzeitig… - Zukunft eben!
Vom Eingang ausgehend nach rechts gewandt, wölbt sich die Taufkapelle nach außen zurück. Es entsteht ein kleiner, Geborgenheit ausstrahlender Raum mit zwei runden Bogennischen – ein einziges „Taufbecken“, in das man zwei Stufen tief hinabsteigen kann in das durch Wellenlinien im Fußboden angedeutete Wasser. Und über allem ruht aus der Christus-Ikone an der Wand der erkennende und liebende Blick Gottes auf mir.
Gehe ich auf dieser Seite weiter, öffnet sich die Wand zu einem geschwungenen Treppenabgang, der zur Krypta führt. Über teppichbezogene Stufen gehe ich abwärts; eine geheimnisvolle Atmosphäre und ein Hauch von Weihrauch liegt über diesem Abstieg wie in den „Mutterschoß der Erde“. Unten erwartet mich, auf Goldgrund gemalt, die Mutter Gottes mit ihrem Sohn. – Warum ist die Krypta so besonders? Ein rechteckiger, niedriger Raum mit bunten Glasfenstern, klassisch aufgeteilt: an der Stirnseite der leicht erhöhte Altarraum mit dem Tabernakel, davor die Bänke U-förmig gestellt, in der Mitte eine Kerze, Blumen, – völlig anders, als der große Kirchenraum oben es vermuten lässt. Ist es dieses Gefühl von höhlenhafter Erdverbundenheit, von gewohnter Überschaubarkeit, das Geborgenheit vermittelt? Hierher kann man sich zurückziehen. Hier füllen auch zwei oder drei, in Christi Namen versammelt, den Raum, während die Kirche oben nach Menschenmengen verlangt!
Beim Verlassen der Kirche wird der Eingang zum Ausgang:
VON INNEN: Zwei „Oasen der Besinnung“, die Taufkapelle und die Marienkapelle, sind rechts und links des Ausgangs in die Welt hinaus geschoben (Innenraum nach außen gestülpt) wie ein Segen, der mitgeht – oder –
VON AUSSEN betrachtet: Die persönliche Entscheidung, sich auf Gottes Willen einzulassen (Maria als Vorbild, die Taufe als Sinnbild), ist der von außen wahrnehmbare „Vorposten“, der zum Eingang in den „Raum des Glaubens“ hinführt. – Ein bemerkenswerter Raum mit einer klaren Botschaft!
Von oben betrachtet hat das Dach die Form eines Tropfens oder einer Feuerzunge – wiedergeboren aus Wasser und Geist! – allerdings fehlt dem Tropfen oder der Flamme noch eine letzte Abrundung, - das Stück Zukunft, das Gott uns verheißen hat… - - -
Irgendwo dort hinter der Kirche, wo die letzte Rundung fehlt, wo die Zukunft beginnt, - da steht übrigens der Kindergarten!!!
Maria Werner